Montag. Es war ein Montag wie jeder andere. Vllt war es genau das was es zu einem besonderen Montag machte. Er war wie jeder Tag in der Schule, langweilig, gefühlt ewig lang und mit den selben Gesichtern. Mal glücklich sie zu sehen, mal eher weniger; mal bekannte Gesichter, mal halbwegs unbekannte; jedoch nie jemand völlig Fremdes. Ich lebte mein Leben wie jeden Tag jedoch war es seit Wochen nur noch schleifend. Ich hatte mein Standbein im Leben verloren. Ich fühlte mich alleine, egal ob Freunde um mich herum waren oder nicht. Immer nur alleine.
Und sie machte es auch nicht besser. Ich sah ihr Gesicht täglich und ging ihr aus dem Weg. Nach der letzten Begegnung, nach den letzten Worten, nach dem letzten Blick.... Wir hatten uns nichts mehr zu sagen, oder viel mehr nichts mehr, was nicht in wilden Ausflüchten in Beleidigungen oder schlichter Ignoranz enden würde. Ich wurde wütend, jedes Mal als ich sie sah. Wütend auf sie, wütend auf die Welt, wütend auf mich.
Das ging für ein paar Wochen so, bis zu diesem Montag. Sie sagte sie will sich ihre Freiheit lassen. Sie sagte sie kann sich nicht für beide entscheiden. Sie sagte sie will das nicht. ....und trotzdem sah ich sie.... ich sah sie und ihn. Ich sah wie sich ihre Lippen berührten, wie sie glücklich aussahen und Händchen haltend auf der Mauer saßen.
Ich verspürte Wut doch eine noch viel größere Trauer und ein riesiger Schmerz. Ich drehte mich um und ging. Hielt mir meine Tränen zurück. Einfach in den Unterricht und gut ist. Wie immer.
Aber wir hatten keine normale Unterrichtsstunde. Wir hatten eine Freistunde ohne Lehrer. Ich versuchte mich abzulenken, lauschte den Gesprächen meiner Klassenkameraden oder unterhielt mich mit meinen Freunden. ...doch es half nicht.... Ich hörte Gespräche über Beziehungen und Liebe, was natürlich üblig zu der Zeit war. Ich hielt es nicht mehr aus
Ich verließ den Raum, ohne das es irgendjemand bemerkte. Ich war selber darüber verwundert, aber scheinbar war ich einfach unsichtbar für die anderen, da sich keiner wirklich für mich interessierte. "Soll er doch machen was er will, es ist eine Freistunde", dachten sie sich bestimmt. Ich ging den Schulflur hinunter, stieg die Treppen hinab und verließ das Gebäude.
Draußen angekommen übermannten mich meine Gefühle. Erst Trauer. Trauer durch Einsamkeit. Trauer durch meine verlorene Liebe und meinen Betrug. Trauer durch ihre Lügen. Ich lehnte mich an die Wand und rutschte langsam zu Boden. Ich weinte, so viel wie mein Herz hergab und so leise, dass niemand außer mir es jemals hätte hören können. Doch diese Trauer wurde zu Wut. Wut auf sie, weil sie mich anlog. Wut auf mich selber, weil ich ihr glaubte. Und Wut auf mich selber, weil ich SIE mit ihr betrogen hatte und verlassen hatte...
Ich stand langsam auf, so gut mich meine Beine stützen konnten. Ich festigte meinen Stand, mich übermannte erneut die Wut und ich fing an gegen die Steinwand vor mir zu schlagen. Immer weiter und weiter. So lange bis es schmerzte. Ich ging erschöpft langsam die Treppen wieder hoch, wischte mir jegliche Anzeichen von Tränen oder den Schlägen gegen die Wand so gut es ging weg und ging wieder in Richtung des Klassenzimmers.
Als ich dort ankam fühlte ich mich noch einsamer als vorher. Niemand interessierte sich dafür, dass ich wieder da war. Vllt hier und da ein flüchtiger Blick zur Tür, aber eigentlich nur mit dem Hintergedanken, dass ja vllt grade ein Lehrer hineinkommen könnte. Ich setzte mich auf meinen Platz und schaute mich um. Ich sah mich in der Ruhe meiner Freunde um. Jeder war in seine eigenen Gespräche vertieft und niemandem schienen die doch sehr auffälligen Verletzungen an meinen Handknöcheln aufzufallen. Ich fühlte mich isoliert. Unwichtig. Nicht existent.
Es dauerte nicht lange bis ich wieder anfing meine Wut anzusammeln. Ich verstand einfach nicht, wie sie so mit mir spielen konnte. Und wie ich mit mir spielen lassen konnte......
Diesmal ging ich aus dem Klassenzimmer und gegenüber ihn die selbstständigen Arbeitsbibliothek. (Mal wieder ohne irgendeine Reaktion in der Klasse ) Dort hatte ich zuvor einen Schüler aus der Parallelklasse alleine sitzen gesehen. Ich wusste das er Raucher war und ein Außenseiter. Genau das was ich brauchte.
Ich ging hinein und fragte ob er kurz Zeit hätte. Nach einem kurzen Wortwechsel nahm er sein Feuerzeug und seine Schachtelzigaretten und kam mit mir mit. Wir gingen den selben Flur hinunter, stiegen die selben Treppen hinab und verließen an der selben Stelle das Gebäude. Er ging mit mir zur Raucherstelle, nahm sich eine selbstgerollte Zigarette und zündete sie sich an. Nach einem Zug kam er meiner Bitte nach, die ich ihm zuvor erläutert hatte (Arbeitsbibliothek), und reichte mir seine Zigarette. Er erklärte mir was es hieß auf Lunge zu rauchen und nach seinen Worten "Naja, beim ersten Mal auf Lunge kackt jeder ab" nahm ich einen ordentlichen Zug.
Ich hielt kurz inne. Ich dachte an alles was passiert war. An all den Schmerz, die Trauer und die Wut. An die Lügen, die Ausflüchte, die falschen Geschichten um nicht im sozialen System unterzugehen.... Ich atmete tief aus und fühlte mich frei. Auf seinen verwunderten Blick und seine Frage "Das ist doch dein erstes Mal, oder?" entgegnete ich nur lachend "Ja, das ist es". Die nächsten Zügen fühlten sich wunderbar an. Der ganze Stress durch die Schule, der Stress Zuhause, der Stress mit ihr und der Schmerz mit der Erinnerung an SIE fühlten sich alle erträglicher an.
Wir gingen anschließend wieder in das Schulgebäude. Er in die Arbeitsbibliothek, ich in den Klassenraum. Niemand bemerkte etwas, was mich zwar schockierte, aber was gleichzeitig eigentlich zu erwarten war.
Dies ist die Geschichte von meiner ersten Zigarette und einem kleinen "Nervenzusammenbruch" in der Schule, wenn man es so nennen kann.